Wie die Gimsbacher zu ihrem Solarfreibad kamen
Für die Gimsbacher ist es mittlerweile fast schon eine Selbstverständlichkeit. Stolz präsentieren sie ihren Gästen und Besuchern in den Sommermonaten ihr kleines im idyllischen Gimsbachtal gelegenes Solarfreibad. Ungläubiges Kopfschütteln und Bewunderung hingegen bei den Fremden, die im Sommer oft rein zufällig und aus bloser Neugier, angelockt durch den Lärm der Badegäste, den Weg ins Schwimmbad finden.
Doch der Reihe nach. Blenden wir drei Jahrzehnte zurück und in die zweite Hälfte der sechziger Jahre. Das nicht einmal 300 Einwohner zählende Bauerndörfchen Gimsbach hatte 1964 und 1965 spektakuläre Erfolge beim Wettbewerb "Unser Dorf soll schöner werden" errungen und präsentierte sich stolz als Bundessieger. Gimsbach war kommunalpolitisch noch selbstständig und hatte sogar ein eigenes Bürgermeisteramt mitten im Dorf, gegenüber dem historischen Dorfbrunnen sowie eine Volksschule, die von knapp 30 Kindern besucht wurde.
Bäckerei und Dorfwirtschaft waren auch noch vorhanden, wenn auch das letztere - von besonderen Großveranstaltungen abgesehen - nur an den Wochenenden oder während der Singstunden des Männergesangvereins geöffnet war. Sogar eine kleine Metzgereifiliale konnte man vorweisen. Viele kleinere landwirtschaftliche Betriebe waren noch in der Ortslage angesiedelt und prägten das Ortsbild. Die Milchsammelstelle und das Wiegehäuschen in der Ortsmitte gehörten zu den wichtigsten öffentlichen Einrichtungen und waren nicht nur wegen der amtlichen Bekanntmachungskästen bedeutsame Informationsquellen für die alltäglichen Neuigkeiten im Dorf.
Kurz gesagt, das Dorf war liebens- und lebenswert und die Gimsbacher Gemeindeväter, unter ihnen Bürgermeister Albert Müller, ebenso fortschrittlich, wie ihr Gemeindebeamter pfiffig.
Weil der alte Wasserhochbehälter nur ein sehr geringes Speichervolumen hatte, entschloß man sich, zur Sicherstellung der Löschwasserversorgung ein 20 x 10m grosses Löschwasserbecken in Beton im Gimsbachtal zu bauen. Natürlich wurde zur Finanzierung des Projektes alle Zuschussmöglichkeiten ausgenutzt. Die Arbeiten wurden von dem ortsansässigen Bauunternehmen Willi Schulz ausgeführt und gestalteten sich sehr schwierig, wiel die Maschinen in dem vernäßten Wiesengelände bis über die Achsen einsackten und nur mit grossem Aufwand wieder herausgezogen werden konnten.
So ganz nebenbei und sicherlich nicht unbeabsichtigt wurde das Becken in einen flachen und einen tieferen Teil untergliedert und mit einer Abgrenzung versehen. Für die Feuerwehrleute - und sicherlich nicht nur für sie - wurde auch eine Aussendusche gebaut. Und damit im Brandfalle auch mit sauberem Wasser gelöscht werden konnte, wurde auch eine kleine Filteranlage installiert.
Bild von Hans Weis, Gimsbach
So kam es denn wie es kommen musste oder besser gesagt, beabsichtigt war. Das Löschwasserbecken wurde durch die Dorfjugend als Schwimmbad genutzt. Natürlich ohne jegliche Eintrittsgebühren und ohne Badeaufsicht. Damals war das eben alles noch etwas anders. Und wer dringend mußte, der begab sich zu den Toiletten im nahegelegenen Feuerwehrgerätehaus oder schlug sich durch die Büsche. Die ebenfalls in diesem Gebäude untergebrachten Umkleidekabinen wurden nur sehr sporadisch genutzt. Man zog sich einfach unter einer mitgebrachten Decke bzw. Teppich um.Außerdem gab es genügend Buschwerk entlang des Baches, das ausreichend Sichtschutz bot. Im übrigen musste letzterer im Zuge der Baumaßnahme begradigt und in ein anderes Bett verlegt werden. Dies geschah wie vieles andere auch, natürlich in Eigenleistung.
Machen wir wieder einen Zeitsprung in die zweite Hälfte der achziger Jahre. Der Glanz der sechziger Jahre ist längst verblichen. Gimsbach hat seine Selbstständigkeit eingebüßt. Das Bürgermeisteramt, die Schule, die Gastwirtschaft und die Bäckerei existieren nicht mehr, die Milchsammelstelle und das Wiegehaus sind aufgelöst bzw. abgerissen. Die Kanalisation ist im Gange und die Ortsdurchfahrt befindet sich in einem fürchterlich schlechten Zustand. Die Mehrzahl der landwirtschaftlichen Betriebe wurde aufgegeben und viele Nebengebäude gehen ihrem Verfall entgegen. Dennoch, ein neuer Anfang war gemacht und Hoffnungsschimmer keimten in dem so gebeutelten Bauerndörfchen wieder auf.
Die örtlichen Vereine, allen voran der Männergesangverein und der Landfrauen hatten nach dem Umbau des ehemaligen Schulgebäudes zu einem Dorfgemeinschaftshaus endlich wieder eine Wirkungsstätte und das fast zum Erliegen gekommene Vereinsleben zeigt wieder ungeahnte Aktivitäten.
Wieder einmal haben die Gemeindeväter unter ihrem Ortsbürgermeister Helmut Christoffel schnell geschaltet und die entsprechenden Beschlüsse zur Aufnahme in das Dorferneuerungsprogramm des Landes Rheinland-Pfalz herbeigeführt. Mit der Anerkennung als sog. Fördergemeinde im Sommer 1985 war der Einstieg in eine ganzheitliche Dorfentwicklung eingeleitet. Der Nachholbedarf war riesig, es gab viel zu tun und es wurde auch viel getan.
Kommen wir wieder zurück auf unser "Löschwasserschwimmbad". Der Zahn der Zeit hat an ihm genagt. Die kleine Filteranlage hatte längst ihren Geist aufgegeben. Der Plattenbelag rund um das Becken war eine einzige Stolperfalle und das Becken selbst war stets gefüllt mit einer dunkelgrünen veralgten Brühe, die den Namen "Badewasser" nicht verdiente. Kaum jemand fand noch den Mut zum Schwimmen. Zu groß war die Unfallgefahr und die gesundheitliche Gefährdung.
Bild von Hans Weis, Gimsbach
War das das Ende des Gimsbacher Dorfbades? Stimmen kamen auf, das Becken zu verfüllen oder als Forellenteich zu verpachten. Bequeme und billige Lösungsvorschläge dieser oder ähnlicher Art gab es noch mehr. Doch es kam anders.
Dorfentwicklung und Dorferneuerung hat auch etwas mit Freizeitwert zu tun, dachte sich da jemand, der ziemlich nahe an der Quelle saß und schon lange insgeheim über den Ausbau des Bades "brütete".
Flugs wurden ein paar Bilder von der idyllisch gelegenen, aber verwarlosten Anlage gemacht. Wollen wir doch einmal sehen, wie sich die zuständige Bezirksregierung zu einem evtl. Ausbau des Bades stellt und mit welchen Fördermitteln zu rechnen ist.
Auf die schriftliche Anfrage der zuständigen Verbandsgemeindeverwaltung im Oktober 1987 hat die Bezirksregierung Neustadt überraschenderweise bereits Mitte Dezember 1987 die grundsätzliche Förderungsfähigkeit des Vorhabens im Rahmen des "Goldenen Planes" signalisiert.
Daß sich so ein Schwimmbad in einem solch kleinen Dorf nur mit viel Eigenleistung bauen läßt und im späteren Betrieb auch Folgekosten verursacht, war auch den Gemeindevätern einleuchtend. Diese kostenträchtige Entscheidung wollte man nicht ohne vorherige Bürgeranhörung treffen, und so beschloß man am 1. Februar 1988 den Ausbau des Löschwasserbeckens zu einem Schwimmbad zum Gegenstand einer Bürgerversammlung zu machen. Diese fand am 19. Februar 1988 im Dorfgemeinschaftshaus statt. Die Anwesenden votierten nach sehr erregter Diskussion mit überwältigender Mehrheit für den Ausbau des Bades, so daß der Gemeinderat bereits vier Tage später, am 23. Februar 1988, die Verbandsgemeindeverwaltung Glan-Münchweiler beauftragte, die Zuschußanträge zu stellen.
Als im zeitigen Frühjahr 1989 durchsickerte, daß das Vorhaben im Rahmen des "Goldenen Planes" gefördert wird und auch der Landkreis sowie Kreisfremdenverkehrsverband finanzielle Unterstützung signalisierten, wurde der noch nicht lange in Matzenbach wohnhafte junge Architekt Klaus Dockendorf kurzerhand beauftragt, die Genehmigungsplanung zu erstellen. Das Ganze mußte so geplant werden, daß möglichst viel Eigenleistung durch die Bürger erbracht werden kann und sich die Folgekosten bzw. Unterhaltungsaufwendungen in Grenzen halten. Als Eigenleistung besonderer Art hat der Architekt auf sein Honorar verzichtet.
Im Frühjahr 1989 rückten dann die ersten freiwilligen Helfer an. Der Verfasser dieser Zeilen erinnert sich noch sehr gut. Zuerst waren es vor allem die Senioren Otto, Karl, Hermann und Ernst - jeder Alteingesessene weiß, wer gemeint ist - die bei den Aufräumungs- u. Rodungsarbeiten fleißig zupackten. Auch die Feuerwehr half mit und beseitigte die Platten rund ums Becken.
Nach und nach gesellten sich weitere "Macher" hinzu. Schließlich lebte man auf dem Lande und fast jeder hatte einen Handwerksberuf erlernt oder war zumindestens handwerklich begabt. Mit dem weiteren Baufortschritt wuchs auch die Zahl der Helfer, und die wenigen Kritiker verstummten mehr und mehr. So wurde bis auf die moderne computergesteuerte Wasseraufbereitungsanlage sowie die Solaranlage alles in Eigenleistung hergestellt. Selbst das Drehkreuz wurde als Sonderausführung von einem einheimischen Ingenieur aus der Automobilbranche geplant, das Rohrmaterial in einer ortsbekannten Hinterhofwerkstatt zugeschnitten und von einem Fachmann im Ort geschweißt. Jeder arbeitete sozusagen für "Gottes Lohn". Wer handwerklich weniger geschickt war, mußte eben Handlanger spielen. Wochenende für Wochenende wurde an der "Großbaustelle Schwimmbad" gearbeitet, und der "Vater des Gedankens" opferte den gesamten Jahresurlaub und jedes freie Wochenende.
Ende Juni 1990, nach etwas mehr als einjähriger Bauzeit und zu einem Zeitpunkt, als andere Bäder im Landkreis die Saison längst eröffnet hatten, war es endlich soweit. Das Becken war mit Frischwasser gefüllt, und die Pumpen der Wasseraufbereitungsanlage wurden mit banger Erwartung in Betrieb gesetzt. Sind auch alle Leitungen dicht? Sind die Filterkreisläufe richtig installiert? Erfüllt die Solaranlage die Erwartungen?
Bild von Werner Jung, Gimsbach
Rückblickend kann man es freimütig einräumen. Es waren schon bange Minuten, denn was wäre gewesen wenn....., ja wenn die Anlage nicht richtig funktioniert hätte? Hämische Lacher und Spötter hätte es sicherlich genug gegeben. Aber es kam anders. Allles funktionierte auf Anhieb und von dem durch die Solaranlage gespeisten Wasserfall fiel in den ersten Minuten geradezu heißes Badewasser ins Becken. Jetzt waren die Mädchen und Buben nicht mehr zu halten. Wie ein Lauffeuer ging es durchs Dorf und im Nu war das Schwimmbad voller Kinder.
An die Erhebung von Eintrittsgeld dachte im übrigen an diesem Tag niemand. Ging es doch erst einmal darum, diesen Erfolg zu feiern und zu geniesen. Obwohl noch einige Arbeiten am Bad auszuführen waren, blieb es für den Rest der Badesaison geöffnet.
Doch es gab ein weiteres Problem, das sich zwar von allem Anfang schon stellte, das aber erst nach der Fertigstellung und Inbetriebnahme des Bades gelöst werden konnte. Jetzt hatte Gimsbach zwar ein Schwimmbad, aber keinen Bademeister. Guter Rat war teuer und wieder einmal mußte man improvisieren. Die Rettung kam in Gestalt eines fleißigen Helfers während der gesamten Bauphase. Otto, jeder im Ort weiß wer gemeint ist, er wohnt nur ein Steinwurf weit weg vom Schwimmbad, machte kurzerhand für den Rest der Badesaison den Bademeister. Otto war damals schon nicht mehr der jüngste, aber unglaublich rüstig. Außerdem kannte er die gesamte Anlage in-u. auswendig.
Nachdem der Verfasser dieser Zeilen die tägliche Wasserprobe und Überwachung der regel-u. Meßanlage mit seinen beruflichen Pflichten nicht mehr in Einklang bringen konnte, übernahm Karl diese verantwortungsvolle Aufgabe. Karl, das ist der, den alle im Dorf um Rat fragen, wenn sie Probleme mit dem TÜV haben. Er macht seine Sache sein nunmehr sieben Jahren so vorzüglich, daß es nie zu Beanstandungen der Wasserqualität kam und sich die Gesundheitsbehörde in Nachbargemeinden sogar löblich über die Wasserqualität des Gimsbacher Solarfreibades aussprach.
Im Folgejahr sollte dann alles ordentlich geregelt werden. Im zeitigen Frühjahr 1991 wurden wiederholt Anzeigen im Amtsblatt aufgegeben. Es wurden Personen gesucht, die das Bad gegen geringes Entgeld leiten sollten. Ferner wollte man ihnen den Kioskraum überlassen, damit sie ein kleines Zubrot verdienen konnten. Der Sommer rückte schon bedenklich nahe und immer hatte sich noch niemand gemeldet. Wieder einmal war guter Rat teuer.
Irgend jemand muß ja wohl die Verantwortung übernehmen. So oder ähnlich dachten wohl einige Idealisten, die sich auf Initiative des Verfassers Mitte Mai 1991 im Dorfgemeinschaftshaus zur Gründung einer Interessengemeinschaft zwecks Betreibung des Bades trafen. Man war sich einig, aus haftungsrechtlichen Gründen muß ein Verein gegründet werden und das möglichst schnell.
Eine Vereinssatzung wurde entworfen und nachdem diese vom zuständigen Vereinsgericht für gut befunden wurde, hat sich der Verein am 7.Juni 1991 unter dem Namen "Arbeitskreis Schwimmbad Gimsbach" konstituiert. Gründungsmitglieder waren (in alphabetischer Reihenfolge): Karl Albert, Lothar Baur, Petra und Arno Börtzler, Edna Dockendorf, Brigitte und Werner Jung, Helga und Walter Jung, Hildegard Klein, Jutta und Richard Salamucha, Anton Urschel, Brigitte und Hans Weis. Per Vertrag hat sich dann der Arbeitskreis gegen einen geringen jährlichen Zuschuß gegenüber der Gemeinde verpflichtet, das Bad ordnungsgemäß zu betreiben, d.h. alle Arbeiten zu verrichten, die ansonsten von hauptamtlichem Personal wahrgenommen werden. Hierzu gehören insbesondere die Badeaufsicht, die Erhebung und Abrechnung der Eintrittsgelder, die Überwachung und Wartung der gesamten technischen Wasseraufbereitungsanlage, die Sauberhaltung der Sanitärräume, die Ein-u. Auswinterung vor und nach der Badesaison einschließlich kleinerer Unterhaltungs-, Reparatur- und Wartungsmaßnahmen. So werden seit 1991 Jahr für Jahr Hunderte von Arbeitsstunden von der kleinen "Truppe" geleistet. Für die Betroffenen bedeutet dies oft Verzicht auf Freizeit und Zurückstellung von eigenen Bedürfnissen zum Wohle der Allgemeinheit.
Bleibt nur zu hoffen, daß sich auch in Zukunft noch Idealisten finden, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen, um das kleine Dorfbad so kostengünstig wie bisher zu betreiben.
Angesprochen sind vor allem Rentner, Teilzeitarbeiter und Hausfrauen, die über ein gewisses Maß an Freizeit verfügen und denen das Schwimmbad sozusagen "am Herzen liegt".
Quelle: Westrichkalender 1998; Werner Jung, Gimsbach